Redebeitrag GB #1
Am 8. Februar 2016 gegen 16.40 Uhr fuhr eine 26-jährige Radfahrerin auf der Bautzner Straße in Richtung Albertplatz. Die Fahrbahn verengt sich unmittelbar hinter der Kreuzung von über 5 Metern auf 3 Meter, dort wurde sie von einem überholenden Betonmischer erfasst, überrollt und dabei so schwer verletzt, dass sie später im Krankenhaus verstarb.
Die Kreuzung war in ihrer damaligen Form erst im August 2013 eröffnet wurden. Unmittelbar nach dem Unfall veröffentlichte Nils Larson vom ADFC Dresden eine Chronik, aus der ersichtlich wird, dass der ADFC bereits zwei Jahre zuvor das Straßen- und Tiefbauamt auf genau das Problem an der Planung hinwies, was ihr zum Verhängnis wurde: Die plötzlich endenden Radstreifen. Obwohl sich Anwohner und der ADFC auch nach Eröffnung der Kreuzung noch für eine Korrektur der Gefahrenstelle einsetzte, verliefen diese Bemühungen aber im Sande, die letzte Nachricht der Stadt wurde ein knappes Jahr vor dem Unfall von Baubürgermeister Marx verfasst und benennt eine Weiterführung der Radfurt zwar als „wünschenswert“, dies sei aber „nicht möglich“.
Dieses jahrlange Behördenversagen trug sicherlich dazu bei, dass dieser Unfall zu weit mehr öffentliche Beachtung fand als alle anderen Unfälle in der Vergangenheit. Dresdens erstes Ghostbike wurde hier in der Woche nach dem Unfall aufgestellt. Für einige Zeit spielte das Thema der Sicherheit für Radfahrende medial plötzlich eine Rolle, die Debatte wurde mitunter emotional geführt, so wurden beispielsweise Baubürgermeister Marx und der Leiter des Straßen- und Tiefbauamts Koettnitz auf Aufklebern als Mörder betitelt.
Wohl auch geplagt vom schlechten Gewissen über das Unvermögen des Vorgängers setzte sich der neue Baubürgermeister Raoul Schmidt-Lamontain dafür ein, die Kreuzung noch vor der bereits geplanten größeren Baumaßnahme, die das komplette Stück von Rothenburger Straße bis Albertplatz umfasst, zu entschärfen. Ein halbes Jahr nach dem Unfall begannen die Bauarbeiten für die Errichtung eines Provisoriums. Ein halbes Jahr, in dem auch weiterhin Radfahrer*innen gefährdet waren! Woanders würde man fragen: „Wie kann da so lange nichts passieren?“ In Dresden muss man sagen: Ein Wunder, dass überhaupt was passiert ist. Eigentlich sollte dieses Jahr die komplette Erneuerung starten, wird aber vom Landesdenkmalamt blockiert. Da die DVB die Tramgleise erneuern will, würden sie jetzt gerne ohne Radweg bauen. Vermutlich wird das Provisorium also noch eine Weile existieren, und man muss es natürlich ganz klar sagen: Diese Lösung ist Augenwischerei und keine Radinfrastruktur. Der Radverkehr wird umgeleitet in eine kleine holprige Straße, so dass sich der Autoverkehr nicht mit ihm rumplagen muss.
Nicht nur baulich, sondern auch juristisch hatte der Unfall Konsequenzen: Das Amtsgericht Dresden hat im September einen Strafbefehl gegen den Fahrer des LKW wegen fahrlässiger Tötung verhängt. Die Strafe beträgt 120 Tagessätze zu je 35 Euro, insgesamt 4 200 Euro. Der Fahrer legte Einspruch ein, weiteres ist nicht bekannt.
Zwischenzeitlich hatte die Stadt übrigens angekündigt, das hier Ghostbike entfernen zu lassen, weil die erforderliche Genehmigung fehlen würde. Ich zitiere an dieser Stelle mal den ADFC München: „Wer nicht an getötete Radfahrer*innen erinnert werden will, muss dafür sorgen, dass dies nicht mehr vorkommt!“
Redebeitrag GB #2
Am 6. August 2015, einem Donnerstagabend, etwa kurz vor halb 12, fuhr eine 16-jährige Radfahrerin auf der Bodenbacher Straße stadteinwärts.
Im Bereich der Straßenbahnhaltestelle, wo die Fahrbahn nur etwas mehr als 3 Meter breit ist, wurde sie von einem Autofahrer überholt und stürzte. Dabei zog sie sich schwerste Verletzungen zu und starb noch an der Unfallstelle.
Möglicherweise geriet sie in die Straßenbahnschienen, möglicherweise wurde sie von dem überholenden Auto berührt, das Ergebnis der Ermittlungen diesbezüglich ist uns nicht bekannt. Die Dresdner Neuesten Nachrichten schrieben im Nachhinein, dass es „noch völlig unklar sei, ob den Fahrer des Mercedes eine Schuld“ treffe.
Ich möchte betonen, dass, völlig unabhängig davon, ob das Auto sie berührt hat oder nicht, der Fahrer, nicht hätte überholen dürfen, da an dieser Stelle Autofahrende gar nicht mit genügend Abstand zum Überholen haben.
Obwohl das Opfer gerade erst 16 Jahre alt war wurde der Unfall nicht zum Anlass genommen, die schlechten Bedingungen für Radfahrende auf fast der gesammten Länge der Bodenbacher Straße zu bemängeln. Bis heute wurden keinerlei bauliche Veränderungen vorgenommen, hunderte Radfahrerinnen und Radfahrer werden täglich in gefährdender Weise überholt und bedrängt.
Redebeitrag GB #3
An dieser Stelle muss ich euch die Geschichte eines jungen Mannes erzählen: Frank, mittlerweile wäre er etwa 25 Jahre alt, fuhr am 1. September 2014 genau in der Richtung, in die auch wir es tun. Auf der Fahrbahn neben ihm fuhr ein LKW, einer dieser mit offener Ladefläche und Schaufelarm. Als dieser nach rechts in die Cäcilienstr. abbog, streifte er den Radfahrer, dieser stürzte und wurde daraufhin teilweise vom schweren LKW überrollt. Frank fuhr übrigens auf dem separaten Rad- und Gehweg, nicht auf der Fahrbahn.
So zerbeult wie sein schwarz-grünes Mountainbike war verwundert es kaum, dass Frank schon vom ankommenden Notarzt reanimiert werden musste. Doch die Verletzungen waren zu schwer, sodass er später im Krankenhaus starb.
Ich habe Frank nie gekannt. Seinen Namen kenne ich nur deshalb, weil er noch nicht vergessen wurde: Dort drüben am Baum hat seine Familie einen Zettel aufgehängt. Sie vermissen ihn und denken an ihn. Lasst auch uns ihm gedenken.
Redebeitrag GB #4
Der Beitrag bezieht sich auf das Ghostbike an der Königsbrücker Landstraße in Weixdorf. Auch wenn wir dort heute nicht vorbei fahren können, möchten wir trotzdem an den dort Getöteten erinnern:
Zitat: „Erwachsene werden in der Erde begraben – Kinder im Herzen.“
Der Tod von Menschen ist immer traurig. Besonders tragisch ist es, wenn Kinder sterben. Am 20. Mai 2015 – in drei Tagen jährt es sich zum zweiten Mal – fuhr Erik mit seinem Fahrrad durch Weixdorf. Er wurde nur dreizehn jahre alt. Weixdorf ist ein beschauliches Dorf in den Grenzen von Dresden, weit entfernt von der innerstädtischen Hektik und dem ausufernden Verkehr. Erik fuhr auf dem Gehweg, vermutlich weil er sich dort sicher fühlte. Getrennt von den Kraftfahrzeugen, die die enge Straße entlang fuhren. Hier sollte ihm nichts passieren können. Erik wurde von einem rechtsabbiegenden LKW auf dem Gehweg überfahren. Hat er etwas falsch gemacht? In meinen Augen nicht. Er wurde Ofer einer Gesellschaft, in der Autos wichtiger sind als Menschen. Trotz des vermeintlich sicheren Gehwegs. Trotz des Geschwindigkeitslimits von 30 km/h und trotz des Hinweisschildes und der Fahrbahnmarkierung „Achtung Kinder!“ wenige Meter vor dem Unglücksort. Erik schaffte es noch in’s Krankenhaus. Dort erlag er vier Tage später seinen Verletzungen.
Der Tod von Erik ist tragisch und sollte eine Mahnung an alle sein. Eine Mahnung, ein derartiges Schicksal, welches sich viel zu oft wiederholt, nicht einfach hinzunehmen. Man kann es verhindern. Man muss es aber auch wollen.
Wir werden Erik nicht vergessen und hoffen, dass er auch von anderen nicht vergessen wird.
Redebeitrag GB #5
Morgen ist es genau vier Wochen her: Am 20. April diesen Jahres wurde hier eine 65-jährige Radfahrerin von einem rechtsabbiegenden LKW überfahren.
Gegen 16.10 Uhr befuhr sie die Pirnaer Landstraße, in die gleiche Richtung war ein LKW unterwegs. Offene Ladefläche, Baggerschaufel: Vom Typ her genau der gleiche, der keine 5 Kilometer weiter an der Cäcilienstraße den 22-jährigen Frank überfahren hat. Der LKW-Fahrer bog nach rechts in die Stephensonstraße ein, die Radfahrerin fuhr geradeaus, wurde erfasst und überrollt. Sie verstarb noch an der Unfallstelle.
Fehler beim Ab- und Einbiegen stellen bei Radverkehrsunfällen mit Abstand die häufigste Hauptunfallursache dar. Verfolgt man das Unfallgeschehen deutschlandweit so gewinnt man schnell den Eindruck, dass jede Woche eine Radfahrerin oder ein Radfahrer durch einen Abbiegeunfall zu Tode kommt. Gewinnt man auch den Eindruck, dass mit voller Kraft daran versucht wird, die Anzahl dieser Unfälle zu verringern? Eher nicht.
London hat Konsequenzen gezogen aus der Tatsache, dass Lkw vier Prozent des Verkehrs ausmachen, aber an 58 Prozent der Radunfälle beteiligt sind. Die britische Hauptstadt hat ihre Sicherheitsanforderungen an Lkw formuliert: Außenspiegel alleine reichen ihr nicht, die Führerhäuschen müssen tief gezogene Scheiben haben, denn nur die bringen direkte Sicht. Lkw, die diese Standards nicht einhalten, dürfen ab 2020 nicht mehr in der Stadt fahren. In Deutschland wird ebenfalls schon länger über Abbiegeassistenzsysteme debattiert, obwohl häufig nicht mal die Spiegel richtig eingestellt sind. Lasst uns ihr gedenken.
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